Es wächst nicht zusammen, was nicht zusammen gehört.
Eine Kritik der politischen Rhetorik
„Was nicht zusammen gehört,/ das soll sich meiden./ Ich hindere euch nicht,/ wo es euch beliebt, zu weilen. // Denn ihr seid neu,/ und ich bin alt geboren./ Macht, was ihr wollt,/ nur laßt mich ungeschoren.“ – Diese Zeilen stammen von Goethe, und sie beziehen sich auf das Gefühl der Bedrängnis, wie er es im Umgang mit Bettina von Armin empfand. Liebe kann lästig sein, wer kennt das nicht. Noch lästiger aber, als eine Liebe nicht erwidern zu können, ist die Verpflichtung, lieben zu müssen. Sie kommt einer Nötigung gleich und entspringt dem kollektiven Willen zur Vermehrung des Eigentums. Denn Liebe an und für sich, jene Liebe, die sich frei verschenkt und unwillkürlich ergibt, ist ein asozialer Zustand und damit für jede auf Funktionalität getrimmte Ordnung subversiv. Es ist die in der Liebe selbst angelegte Unberechenbarkeit, die zur Gefahr wird und entsprechend gebändigt werden muß. Am Ende ist es immer die Freiheit des Subjekts, die wieder abgeschafft werden soll, nachdem sie, zunächst moralphilosophisch und dann juristisch, eingeführt wurde. Die Etablierung eines Freiheitsbewußtseins und die Zerstörung desselben sind die zwei großen und einander permanent rivalisierenden Konstanten der westlichen Moderne. Die Literatur vor allem der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist voll von Beispielen, wie die gesellschaftlich verwaltete Liebe zur Katastrophe des einzelnen oder einer Familie wird. Ob Frau Jenny Treibel in Deutschland, Madame Bovary in Frankreich oder Anna Karenina in Rußland: sie alle leiden an der Differenz eines Begehrens nach sich selbst und jener zur sozialen Norm gewordenen Verpflichtung, die Innerlichkeit dem Kreislauf von Produktion und Distribution zur Verfügung zu stellen. Und wer es nicht tut, wie Emma Bovary etwa, geht elend zugrunde.