Doppelte Lebensführung
Kathrin Jira und Jörg Schieke: Vorwort
Die hier versammelten Autorinnen und Autoren vereint in erster Linie die Tatsache, dass sie das Schreiben als Arbeit betrachten. Eine Arbeit, die mit dem Leben der oder des Schreibenden besonders eng verknüpft, mit diesem aber auch oftmals schwer vereinbar ist. Schreiben muss jeden Tag neu erkämpft werden, gegen innere und äußere Widerstände. Diesen Kampf zu würdigen, ist Wunsch dieser Anthologie.
Wer sie in zehn oder zwanzig Jahren zur Hand nimmt, sollte daraus ablesen können, was die Autorinnen und Autoren seinerzeit beschäftigt, beunruhigt und angespornt – was ihre Texte angetrieben hat. Eine Anthologie, das ist unser Anspruch, soll keine Bestenliste sein und trotzdem literarisch ernstgemeinte Texte versammeln. Sachsen ist ein Bundesland, eine von einer bewegten Geschichte gezeichnete Region und zugleich eine literarische Landschaft, und dieses Sachsen bringt seit Jahrzehnten und Jahr für Jahr aufs Neue literarische Stimmen und Texte hervor. Ein Text wird dann zu einem literarischen, wenn er nach bestem Können und Gewissen etwas wagt und formuliert, das in anderer Sprache und Form so nicht zu haben wäre. Wir hoffen, dass die hier zusammengetragenen Texte diesen Anspruch einlösen.
Die Autorinnen und Autoren dieses Buches sind sich in vielen Dingen nicht einig, sie folgen oft sehr verschiedenen künstlerischen Strategien und schreiben von der Welt und ihren sächsischen Formaten aus je verschiedenen Perspektiven. Das Erzählen ist ein offener und manchmal auch zugiger Raum, in dem die Dinge und Gedanken ständig hin- und hergeweht werden. Erich Loest wurde 1926 geboren und ist 2013 gestorben, Lukas Rietzschel wurde 1994 geboren. Mehrere Generationen sächsischer Literatur also, und dementsprechend eine große Auswahl verfügbarer Formen.
Eine jede Form, so die Autorin / der Autor sie zu gebrauchen weiß, ist tauglich: Prosaminiatur und lyrisch reduziertes Stück, Erzählung und Essay, Romanauszug und dramatische Erzählskizze. Texte, die sich in der Pose des Tabubruchs, des Schenkelklopfers oder in Ideologie erschöpfen, sind, literarisch besehen, langweilig und – zumindest nach den Maßstäben der beiden Herausgeber – nicht aufgenommen worden.
Als wir im April 2019 mit der Arbeit an dieser Anthologie begonnen haben, sind wir über verschiedene Kanäle an sächsische Autorinnen und Autoren herangetreten. Alle, die eine mehr als lose biografische Verbindung zu Sachsen haben, waren willkommen. Die Texte sollten möglichst im 21. Jahrhundert entstanden sein, was bis auf die Beiträge von Erich Loest und Ulrich Zieger (hier galt es bestimmte Nachlassbedingungen zu beachten) auch eingelöst wurde. Am Ende konnten wir nicht alle eingesandten Texte in diese Anthologie aufnehmen und haben nach den von uns bestimmten Kriterien (siehe oben) ausgewählt. Wir wünschen allen, die dieses Buch zur Hand nehmen: Viel Freude beim Lesen und Entdecken!
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