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Windei in der Wasserhose des Eisheiligen
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Kito Lorenc
Windei in der Wasserhose
des Eisheiligen
Gedichte und Schmungks
104 Seiten, 16,80 Euro
Hardcover
poetenladen, April 2015
ISBN 978-3-940691-66-8
Reihe Neue Lyrik – Band 8
Herausgegeben von Jayne-Ann Igel,
Jan Kuhlbrodt und Ralph Lindner
Kulturstiftung des Freistaates Sachsen
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Vor uns liegt ein Band mit neuen Gedichten des sorbisch-deutschen Dichters Kito Lorenc. Texte, die hin und wieder auf den Reim zurückgreifen, die das Liedhafte nicht verbergen und an den Sprachgrenzen arbeiten, nicht nur denen zwischen Sorbisch und Deutsch, sondern auch da, wo der Sinn ins Absurde kippt. Durchsetzt ist der Band mit Schmungks, aphoristischen Gebilden aus teils vorgefundenem Wortmaterial, widerborstigen Sentenzen.
»Kito Lorenc erzählt die sorbische Geschichte in seinen Gedichten, wo das spezielle Geschichtswissen übergegangen ist in etwas Universelles, die Ahnung. Und diese Ahnung geht, gedichtweise, das heißt: Weise des Gedichts, wiederum über ins Bild, in die Bilder, in den Klang, in die Klänge, und wird so Gegenwart, anders als die Vergegenwärtigungen selbst der lebendigsten Geschichtsschreiber.« Peter Handke
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Der Autor statt eines Vorworts
Zu meinem Dreizeiler »Schlawakischer Zipfel«
Gjeldjerlin! Gjotte! Gjejnrich Gjejne!
Süße frühe Rache für
Zitzinski Ketzka Domatzina
Die russische Wiedergabe der Dichternamen Hölderlin, Goethe und Heinrich Heine hat wohl – zumindest im Osten Deutschlands – noch mancher im Ohr. Sie klang für deutsche Ohren besonders verhunzt, ist doch aber nur den Eigenheiten der russischen Lautbildung geschuldet, die – ähnlich den Ausspracheklippen des Deutschen etwa für amerikanisch-englische Muttersprachler – nur durch besonders intensive Schulung des Sprachgehörs zu überwinden sind.
Eine etwas andere Bewandtnis hat es mit der in neudeutschen Medien üblichen mündlichen und schriftlichen Veruntreuung besonders minderbekannter slawischer Eigennamen, hier vorgeführt am Beispiel der sorbischen Dichternamen Ćišinski, Chěžka und Domašcyna. Ausgenommen von solcher Wurstigkeit sind, wenigstens weitgehend, die Namen von Ausleihsportlern, sogar slawischen. Dies freilich zeigt, dass die phonetisch richtige Wiedergabe dem Deutschen von seinem Zungenwuchs her durchaus möglich ist, vollbringt er doch solche Sprechwunder wie das sächsische »Hornzsche« (für Bruchbude, schäbige Kammer, wohl aus dem obersorbischen »hornja [stwa]« – etwa Oberstübchen). Die zeitlich oder nachbarschaftlich bedingt eher ostdeutsche Schluderei bei slawischen Eigenamen wird, scheint mir, inzwischen auch gesamtdeutsch hingenommen, unbemerkt oder doch unbeanstandet, aus Unkenntnis oder Desinteresse. Sie gilt, im Gegensatz zu solchen Fehlleistungen bei westlichen Weltsprachen, gewissermaßen als »Kavaliersdelikt« – jedenfalls dürfte solche Aussprach- und Schreibunsicherheit kaum eine Redaktion veranlassen, im Zweifelsfall kurz mal in einem der über Deutschland gar nicht so rar gestreuten Slawistik-Institute anzurufen oder in einem guten Wörterbuch nachzuschlagen, etwa für Russisch, das vor kurzem noch Weltsprache war.
Da hätte man zum Beispiel auch gefunden, dass »glasnost« (Öffentlichkeit) auf der ersten Silbe betont wird und nicht, wie bei diesem Schlagwort überall in Deutschland üblich, auf der hinteren. Aber das ist ja wohl nun vorbei. Und ich müsste nicht mehr so kleinlich mit Sorbisch herummotzen, wenn der auch auf solche Weise offenbar werdende Prestigeverlust des Slawischen sogar eine frühere Großsprache betrifft. Aber gibt es das – Groß- und Kleinsprache?!
Und zum Schluss noch: »motzen«, »herummotzen« – kommt das vielleicht von sorbisch »móc« (Kraft) und ließe sich auch mit »kraftmeierisch«, »nörgelnd schimpfen« umschreiben, besser noch mit »maulen«, »eine Lippe riskieren«? Warum eigentlich nicht, selbst wenn der Duden oder Grimms Wörterbuch nichts darüber sagen.
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Stimmen zum Buch
Von skurril bis melancholisch spannt
sich die Weite über neunzig Gedichtseiten,
bis der Dichter mit zwinkerndem Ernst
und grauem Star seine »Meise« begrüßt,
die an die »Scheibe« pickt: »wo warst du so
lange/ dass du jetzt erst dich zeigst/ Oder
war ich selber/ dauernd weg vom Fenster?« Wer tatsächlich gedacht hat, Kito Lorenc
sei längst »weg vom Fenster«, sieht
sich auf das Herrlichste getäuscht.
Sächsische Zeitung
Kito Lorenc, der Alt-Meister der sorbisch-deutschen Dichtung, zeigt sich beim Blick auf die großen und kleinen Fälle des Lebens als Schelm, mehr aber noch als wunderbarer Dialektiker. Er weiß, was zusammengeht und was sich ausschließt. Daraus entsteht bei Kito Lorenc eine eigene Welt-Betrachtung, die ihn als einen bedeutenden Lyriker mit Eigensinn und Eigensprache ausweist. Ein geglückter Band!
MDR
Unvergleichlich klar, unglaublich gedankenreich, ungeheuer dicht.
Hier ist ein Buch voller einfacher Wörter und von neu geschöpften, was beweist, die kompliziertesten Dinge sind einfach zu sagen, Geschichtsbefußtsein, Dudengebrabbel, Sündenvorrat, zaubersam, zwieselig und Neulust. Die Leute von Duden bekommen Arbeit.
Für Deutsche heißt Kito Lorenc zu lesen, einen Schatz zu finden. Mit seiner Elternsprache Deutsch ging er auf die Reise ins Sorbische. Vierundneunzig Seiten, denen man vertrauen kann.
Sorbische Zeitung | Serbske Nowiny
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Horoskop
Dreh ab jetzt und schwimme
zurück zu dem einsamen Strand
deiner Geburt, begrabe
alle Hoffnung gründlich
wie die Schildkröte ihr Geleg
ehe du für immer abtauchst
zu den Fischen des Sternzeichens
das dir voranleuchtet
Mag sein, der Sand schenkt
auch dir eine Brut noch
aus dem Verborgenen einst
und sie findet zum Licht
und in das Meer nach dir
Kito Lorenc | Foto: gezett
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